Von außen betrachtet

Im September besuchte mich unsere Heimatzeitung DIE HARKE

Bei dem Termin mit HARKE-Redakteur Stefan Schwiersch entstand der nachfolgende Bericht vom 18. September. Ich bedanke mich herzlich für das Interesse an meiner Arbeit, den Bericht und die Fotos.

Das Geheimnis ist die Temperatur: Der Nienburger Pralinen-Designer Michael Wagner beliefert Kunden in ganz Europa

In den USA geboren, in der Schweiz inspiriert: Der 49-Jährige verziert seine Pralinen mit dem gewünschten Werbelogo aus dem Nahrungsmitteldrucker. Bis zur Aufnahme der Produktion war es ein ebenso weiter wie steiniger Weg.

Nienburg. Michael Wagner ist gebürtiger Amerikaner. Wagner ist Bäckermeister in vierter Generation. Wagner ist im Hauptberuf Berufsschullehrer an der Nienburger BBS. Wagner ist Pralinen-Designer. Und damit ist Wagner gewissermaßen auch Künstler.

All das, was Michael Wagner verkörpert, manifestiert sich in ganz speziellen Süßigkeiten und Naschereien: Der Nienburger erfüllt als Pralinen-Designer alle Kundenwünsche – normale wie extravagante. Dabei geht Wagners Handwerk weit über das Vermischen und Vermengen verschiedener Schokoladenarten hinaus. Wagners Handwerk ist komplex. Und im Gegensatz zu einem Uhrmacher, der weiß, was passiert, wenn er ein defektes gegen ein heiles Zahnrad austauscht oder eine leere Batterie gegen eine frische, kann sich Wagner seiner Sache nie ganz sicher sein: „Ich kann immer erst am Ende des Prozesses sehen, ob die Pralinen gut geworden sind.“

Wagner produziert seine Pralinen in der Bäckerei Kindermann

Der 49-Jährige stellt seine Pralinen nicht etwa in der heimischen Küche her. Das darf er auch gar nicht, schließlich produziert er für den Verkauf und da hat das Veterinäramt strikte Vorgaben. Wagner darf tagsüber die Backstube der Erichshagener Bäckerei von Boris Kindermann nutzen. Die beiden Meister kennen sich seit 2005, lernten sich über die Bäckerinnung kennen.

Apropos 2005: In diesem Jahr zog Wagner nach Nienburg, damit endete vorerst eine Reise, die mit seiner Geburt 1973 in Milwaukee im US-Bundesstaat Wisconsin begonnen hatte. Wagner stammt aus einer Familie, die seit über 120 Jahren Backwaren und Süßes erzeugt. Es war Wagners Urgroßvater, der 1898 gemeinsam mit seinem Bruder aus Schlesien in die USA auswanderte und in Milwaukee eine erste Bäckerei eröffnete. Seitdem pendelten die Wagners und ihre Folgegenerationen immer wieder zwischen den USA und Deutschland. Familiensitz war seit den Fünfzigern Bad Kreuznach in Rheinland-Pfalz.

Grenzen zwischen Bäcker und Lehrer sind fließend

Michael Wagner wurde schließlich der vierte Bäckermeister der Familie, „allerdings nicht befohlen, sondern aus freien Stücken“, betont er. Mehr noch: Die Familie unterstützte das Fernweh und die Neugierde des Juniors.

Michael Wagner verbrachte die Gesellenzeit in den USA, in England, in mehreren deutschen Städten, machte seinen Meister und Betriebswirt und landete schließlich über die Schweiz, wieder Bad Kreuznach, Lüneburg und Travemünde im Jahr 2005 an der Nienburger BBS.

„Die Grenzen zwischen Bäcker und Lehrer sind fließend. Ich stehe mit Kittel in der Schulbäckerei und unterrichte, vermittle theoretische und praktische Inhalte.“ Fließend ist auch die Grenze zwischen Bäcker, Konditor und Künstler – gerade bei der Herstellung von Pralinen: Zwar seien die Berufe sehr eng verwandt, aber „die Konditoren sind die Künstler“, lacht Wagner. „Als Konditor muss ich kreativ sein.“

Schokolade ist sehr anspruchsvoll

Die individuelle und auf Kundenwünsche abgestimmte Herstellung von Pralinen: Diesen Geschäftsimpuls erhielt Wagner, als er 1995 ein Jahr lang als Bäcker in der Schweiz arbeitete. Vielmehr fixte ihn jedoch die Handwerkskunst der angeschlossenen Confiserie. „Ich fand das total faszinierend, was die gemacht haben – Hohlkörper, Weihnachtsfiguren. Da wurde bei mir der Funke entzündet.“ Dort lernte Wagner, wie man Pralinen macht, brachte Rezepte mit nach Deutschland. Und auch die Idee, Bilder auf Pralinen zu platzieren.

Konkret wurde Wagners Geschäftsmodell aus technischen Gründen erst 2012. Auf einer Messe in München sah er erstmals einen Drucker für Lebensmittelfarben – für den Hausgebrauch. Wagner kaufte ein solches Gerät, die Formen, die Trägerfolien, die Software. Es konnte also losgehen mit Wagner-Pralinen. Was noch fehlte, war ein entscheidendes Detail: die passende Verpackung. Wagner: „Es hat Jahre gedauert, um die Verpackung zu finden.“ In Belgien entdeckte Wagner schließlich jene Behältnisse, die passend waren für seine runden und rechteckigen Pralinen.

In der Bäckerei Kindermann fand Wagner seine Produktionsstätte, meldete 2016 das Nebengewerbe an. „Wir haben hier ein Super-Arrangement. Ich zahle Miete für die Zeiten, die ich hier verbringe. Aber das sind ja Zeiten, in denen ich auch produziere.“

Eine Produktion, die saisonal ausgelegt ist.

Während über den Sommer kaum Nachfrage herrscht, flattern ab Oktober die Firmenaufträge herein, um pünktlich zu Weihnachten hübsche und personifizierte Geschenke für die Kunden zu haben. „Jetzt, im Sommer, habe ich im Moment vielleicht mal einen kleinen Auftrag. Es ist zu warm für Pralinen.“

So entsteht eine Wagner Praline

Wohl und Wehe von Wagners Tun ist freilich abhängig von der Qualität seiner Zutaten. Aber für die Entstehung einer Praline ist eines elementar: die richtige Temperatur. Bereits ein Grad zu hoch oder zu niedrig beeinflusst das Ergebnis. „Schokolade ist sehr anspruchsvoll“, sagt Wagner. Etwas zu kalt: Dann wird die Masse vielleicht zu zähflüssig. Ein Grad zu warm: Dann könnte sich die Füllung mit der Ummantelung der Praline vermischen.

Chronologisch und arg verkürzt betrachtet entsteht eine Wagner-Praline auf folgendem Weg:

  • Der Auftrag kommt rein, der Kunde übermittelt das gewünschte Firmenlogo.
  • Wagner druckt das Logo mit seinem Lebensmittel-Drucker auf eine Trägerfolie.
  • Wagner bereitet die Schokoladen-Bestandteile vor.
  • Wagner legt das Logo in die Form. Er gießt die erste Schokoladenart in die Form, aus ihr entsteht die Ummantelung der Praline.
  • Kühlen.
  • Ist der Mantel fest, wird der noch flüssige Rest wieder abgegossen.
  • Kühlen.
  • Wagner gießt nun die Nougatfüllung in die Formen – sie hat exakt 28 Grad, besteht beim HARKE-Besuch aus Nougat, Sahne, Zartbitter- und Milchschokolade.
  • Wieder kühlen.
  • Wagner versiegelt die Praline mit derselben Schokolade, mit der er bereits die Außenhülle geschaffen hatte.
  • Wieder kühlen.
  • Jetzt wird‘s ernst. Wagner klopft die Pralinen vorsichtig aus den Formen.

Die überschüssige Schokolade streift Michael Wagner ab.

© Quelle: Schwiersch

„Das ist der Moment der Wahrheit“, sagt Wagner. „Bei einer Praline habe ich bis zum Schuss nie eine Garantie, dass sie wie gewünscht geworden ist.“

Wagners Kunden: in erster Linie Firmen und Unternehmen, die die Pralinen mit ihrem Firmenlogo veredelt haben möchten. Die Wünsche sind vielschichtig: „Manche Kunden haben ganz konkrete Vorstellungen, manche Kunden wissen gar nicht genau, was sie wollen. Und teilweise ist das Logo viel zu lang für eine Praline.“ Dann muss ein neues entwickelt werden.

Feinheit ist kein Problem, ein Hirschgeweih wäre problemlos möglich. Wieder andere Kunden müssen sich erst geschmacklich inspirieren lassen. „Wir haben schon Füllungen gerührt, gekocht und probiert, bis der Kunde einverstanden war.“ Für die Umhüllung der Praline empfiehlt Wagner weiße Schokolade. Einfach aus dem Grunde, weil ein Werbelogo auf weißer Schokolade besser wirkt.

Die fertigen Pralinen werden von Hand verpackt – in Klarsicht-Boxen und nicht etwa in blickdichte Pappe. Schließlich gehe es darum, dass der Kunde bereits beim Überreichen die besondere Praline erblickt und gleichsam den Wow-Effekt hat.

Kleine und große Kunden kontaktieren den Pralinen-Designer: „Mein bisher größter Auftrag waren 350 Pralinen.“ Aber auch Kleinstmengen sind möglich. „Ab zehn Pralinen bin ich ansprechbar.“ Der Radius der Anfragen geht weit, sehr weit über das Nienburger Kreisgebiet hinaus. „Ich darf behaupten: europaweit.“

Nienburger Pralinen wurden auch schon in Spanien und Finnland verköstigt. Schließlich hat Wagner über die Jahre ein großes Netzwerk aufgebaut, auch über seinen Hauptberuf an der Nienburger BBS. So kamen schon internationale Partnerschulen der BBS in den Genuss der Nienburger Naschereien, manchmal versorgen Nienburger Firmen ausländische Partner mit Pralinen aus der Wagner-Schmiede, die dann ihrerseits den Confiseur kontaktieren.

Immer mehr wenden sich mittlerweile auch Privatleute an Michael Wagner, bestellen zum Kindergeburtstag oder zur Taufe Pralinen mit dem Konterfei ihres Kindes. Und wie sieht nun die perfekte Praline aus, Herr Wagner? „Was reinkommt, ist reine Geschmacksache. Stark nachgefragt wurde zuletzt Zartbitter mit Himbeere. Im Moment absolut out sind dagegen Alkoholfüllungen.“